Gelesen, verstanden, kopiert!
Ich habe einen ganz ganz tollen Text gefunden und muss ihn in dieser Situation einfach teilen! I hope you enjoy!
Es gibt Menschen, die so unentschlossen sind, dass sie sich zu allem entschließen können, nur nicht zu einem Entschluss.
Da heißt es dann „Ja, aber“ oder „Nein, aber“ oder „Ja – Nein – Aber“
Das Wort Ja schlenderte müde und abgespannt durch einen langen Konferenzraum, in dem soeben eine wichtige Sitzung zu Ende gegangen war. Die kostbaren Kristalllüster wurden ausgeknipst, der grüne Tisch und die schweren Stühle verschwanden in der Dunkelheit, es musste schon spät sein, weit über Mitternacht. Das Wort Ja trat an eines der hohen Fenster. Draußen gab es nur noch wenige Lichter, die anscheinend auch schon müde waren. Das Wort Ja lehnte sich in die Fensternische und schloss die Augen. Heute war es wieder arg strapaziert und missbraucht worden.
Plötzlich kicherte dem Ja jemand ins Gesicht. Das Ja öffnete die Augen, das Wort Nein stand grinsend vor ihm.
Was ist los mit dir? „Warum bist du denn so traurig, mein liebes Ja?“
Da fuhr es sich mit dem Handrücken über die Augen. „oh nichts“, erwiderte es matt.
„Aber du schaust ja ganz geschafft aus“, sagte das Nein.
„Kein Wunder“, antwortete das Ja. „Du hast doch selber gehört, wie man heute wieder mit mir umgegangen ist.“
„Aber geh!“ tröstete es das Nein. „Du hast doch heute wieder eine Menge Ja-Sager gehabt. Was soll ich da sagen? Auf meiner Seite hat es nur wenige Nein-Stimmen gegeben-„
„Ja“, sagte das Ja, „aber die haben es wenigstens ehrlich gemeint.“
Das Nein schüttelte den Kopf und lächelte mild: „Das bildest du dir nur ein. Nur zwei haben aus Überzeugung Nein gesagt, der Rest hat bloß nein gesagt, weil die anderen ja gesagt haben. Das nennt man Opposition. Hätten die anderen nein gesagt, hätten sie ja gesagt.“
„Trotzdem“, entgegnete das Ja. „Ich bin überzeugt, dass mehr Leute ein ehrliches Nein sagen als ein ehrliches Ja.“
„Du siehst die Sache viel zu negativ. Deine Haltung würde eigentlich mir zustehen“, bemerkte das Nein. „Es gibt doch genug Menschen, die zu ihrem Ja stehen, mit ihrer ganzen Person, mit vollem Einsatz, oft sogar ihres Lebens. Diese Kategorie von Menschen darfst du doch nicht übersehen.“
Über das Gesicht des Ja huschte ein seliges Lächeln. „Die übersehe ich schon nicht. Gäbe es diese Menschen nicht, hätte ich überhaupt keine Kraft und keinen Wert mehr. Aber es gibt doch soundso viele – und die zehren an meiner Substanz – , die immer ja, ja sagen und dann doch anders handeln.“Solche Leute habe ich auch“, sagte das Nein. „Sie versprechen: Das werden wir nie wieder tun, und im nächsten Augenblick tun sie es trotzdem. Glaubst du, das geht mir nicht ins Mark?“
Das Ja nickte. „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein, alles andere ist ein Werk des Bösen. Das steht doch irgendwo geschrieben.“
Oh, oh, was sehe ich? Die beiden großen Gegensätze in trautem Gespräch beisammen“, sagte das Aber. Es schmiegte sich an das Ja heran und hängte sich bei ihm ein.
„Lass das!“ wehrte sich das Ja. „Du passt nicht zu mir.“
„Ho, ho“, kicherte das Aber. „Sei nicht so stolz. Heutzutage werden wir zusammen öfter gebraucht als du alleine. An allen Ecken und Enden hörst du: „Ja, aber da könnte man – ja, aber da sollte man – ja, aber da müsste man. Ein bloßes Ja gibt es kaum mehr.
„Leider“. Erwiderte das Ja und drückte das Aber weiter von sich. „Du entkräftigst mich. Du nimmst mir mein Gewicht.“
„Aber Schatz, stoß mich doch nicht weg. Ich bin ja deine Hintertür“, verteidigte sich das Aber. „Warum sollen sich die Menschen immer gleich festlegen lassen? Sie müssen doch auch flexibel sein können. Das mache ich ihnen möglich.“
„Ich mag aber kein faules Hin und Her. Das macht mich zu einer leeren Hülse“, gab das Ja zurück. „Wenn wir zusammen sind, gibt es keine Ehrlichkeit mehr, keine feste Haltung, sondern ein charakterloses Durcheinander.“
„Ja, aber“, konterte das Aber, „zusammen verbinden wir Gegensätze, lösen wir sture Haltungen und verhindern Konflikte. Vor- und Nachteile liegen eben eng beisammen. So ist das Leben.“
Das Aber hängte sich in das Ja und in das Nein ein.
„Gehen wir schlafen, es ist schon spät.“
„Ja – aber“, versuchte das Ja sich zu wehren.
„Nein – aber“, gab das Nein schon bald nach.
„Aber – aber“, beruhigte sich das Aber die beiden und zog es mit sich.
„Aber“ ist zwar ein Bindewort, sollte aber eigentlich den Fürwörtern zugeordnet werden, denn wenn einer noch so kategorisch „nein“ sagt und ein „aber“ hinzusetzt, weiß der andere schon, dass er dafür ist.
bad_girl_gone_good am 24. November 11
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